Projekt – Wispertaunus

Naturschutzgroßprojekt Wispertaunus – Wertvolle Wälder bewahren und erleben

Lässt man die Tore der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden hinter sich und begibt sich weiter in den Rheingau Richtung Koblenz, entdeckt man etwa auf halber Strecke, verborgen hinter den Hügeln der Weinberge am Rheinufer, die urigen Wälder des Wispertaunus. Sie beherbergen zahlreiche alte Baumbestände und sind von nur wenigen Straßen durchzogen.

Auf den steilen, zum Rhein hin abfallenden Schieferhängen stehen uralte Buchen und knorrige Traubeneichen. Da sie an den trockenen Hängen schwierigen Bedingungen ausgesetzt sind, sind sie oft nur wenige Meter hoch und vergleichsweise dünn. Folgt man den Wanderwegen durch die hügelige, von großen Buchenwäldern gesäumte Landschaft tiefer in die entlegeneren Winkel des Wispertaunus, findet man neben schönen alten Baumriesen, die verschiedene Tier- und Pflanzenarten beheimaten, eine weitere Rarität: erholsame Ruhe, die nur durch Vogelzwitschern und das entfernte Wispern des Flusses unterbrochen wird, dem die Region ihren Namen verdankt: der Wisper.

Projekt: Naturschutzgroßprojekt Wispertaunus (Planungsphase 2023-2026)
Ziel: Entwicklung eines Naturwaldverbundes mit 2.800 Hektar
Planungsraum: 7.677 Hektar

Der Wispertaunus ist ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet in Hessen. Seit 2013 entwickeln sich hier Teile des hessischen Landeswaldes als sogenannte Naturwälder weitgehend ohne menschliche Eingriffe. Viele seltene und bedrohte Tierarten wie die Bechsteinfledermaus, die Wildkatze oder die Haselmaus finden hier wertvollen Lebensraum. Diese Naturwälder sind etwas Besonderes in der ansonsten dichtbesiedelten Region und wertvoll für Tiere und Menschen.

Die Idee hinter dem Naturschutzgroßprojekt Wispertaunus ist es, sicherzustellen, dass diesem Verbund an Naturwäldern weitere besondere Waldgebiete hinzukommen und langfristig erhalten bleiben.

Das Naturschutzgroßprojekt gliedert sich in zwei Projekte. In Projekt I, der sogenannten Planungsphase, untersuchen Fachleute, darunter Biologinnen und Biologen sowie weitere Expertinnen und Experten, die Wälder der Region. Ziel ist es, herauszufinden, welche Flächen sich besonders gut für den Naturschutz eignen. Dabei stehen vor allem naturnahe Wälder im Fokus, da sie vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten, Wasser im Boden besser speichern und Hitze und Trockenheit besser verkraften können – dabei werden die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie Akzeptanz vor Ort und die Einbindung politischer Entscheidungsträger berücksichtigt.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wird in Projekt II das zuvor gemeinsam mit regionalen Akteuren Vorbereitete, konkret umgesetzt. Dazu gehört beispielsweise, bestimmte Wälder der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Da viele Flächen im Wispertaunus kommunales Eigentum sind, können die Gemeinden dafür eine finanzielle Anerkennung erhalten.

Auch Flüsse und Quellen sollen in einen natürlicheren Zustand zurückgeführt werden. Dazu werden technische Eingriffe wie Betoneinfassungen entfernt. Besonders wertvolle Bäume wie alte Buchen mit Spechthöhlen oder Horsten werden erhalten und gekennzeichnet.
Wichtig ist, dass alle geplanten Maßnahmen auf einem gemeinsamen Verständnis beruhen und nur durchgeführt werden, wenn sie von allen Beteiligten getragen werden.

Projekt I (Planungsphase): Grundlagen schaffen und gemeinsam planen

Die Planungsphase bildet das Fundament für alles, was folgt. Hier geht es zum Einen darum, die Wälder des Wispertaunus in ihrer gesamten Komplexität zu erfassen. Das beinhaltet die Kartierung der hier vorkommenden Arten und Biotope, aber auch beispielsweise die Berücksichtigung der kulturhistorischen Entwicklung und der gegenwärtigen Nutzung der Wälder, ebenso wie die Identifizierung möglicher Beeinträchtigungen oder Konflikte.

Projekt I ist somit eine Zeit der Analyse: Fachleute führen umfassende Erhebungen zu schützenswerten Arten, wie seltenen Waldvogelarten (vor allem Spechte), Käfern, Pilzen, Wildkatze oder Bechsteinfledermaus, und deren Lebensräumen durch. Weiterhin wird das Potenzial verschiedener Gebiete für den Naturschutz bewertet und darauf aufbauend konkrete Strategien für einen effektiven Schutz der regionalen Arten- und Lebensraumvielfalt abgeleitet.

Ein zentraler Bestandteil von Projekt I sind Arbeitskreise zu den Schwerpunkten Waldnaturschutz, Waldbesuchende und Wildtiermanagement, in welchen die entsprechenden Themen diskutiert, Konflikte analysiert und gemeinsam Lösungsansätze entwickelt werden. In den Arbeitskreisen können sich relevante Akteure der Region einbringen – Kommunen, Forstbetriebe, Jägerschaft, Naturschutzorganisationen, Tourismusverbände und viele mehr. Alle Ergebnisse und Vorschläge aus den Arbeitskreisen werden dokumentiert und in das Hauptprodukt der Planungsphase, den sogenannten Pflege- und Entwicklungsplan (kurz: PEPL) integriert. Ziel des umfassenden PEPL ist es, sicherzustellen, dass die vielfältigen Interessen der Region berücksichtigt werden und ein breit getragener Konsens hinsichtlich der geplanten Maßnahmen im Naturschutzgroßprojekt entsteht.

Projekt II: Genehmigung und Umsetzung

In Projekt II steht die konkrete Umsetzung der Aktivitäten im Fokus, welche im Pflege- und Entwicklungsplan vorgeschlagen und mit allen beteiligten Akteuren zum Ende von Projekt I abgestimmt wurden. Dazu gehören:

Erweiterung und Vernetzung bestehender Naturwaldflächen: Dies soll erreicht werden, indem auf ausgewählten Flächen weiterer interessierter Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer eine natürliche Entwicklung zugelassen wird, verbunden mit einem finanziellen Ausgleich für den dauerhaften und verbindlichen Verzicht auf forstliche Nutzung.
Schaffung von Trittsteinen zwischen Naturwäldern: Dadurch soll die Wanderung von Wildtieren erleichtert und ihre Ausbreitung in der Landschaft gefördert werden.
Renaturierung von Flüssen und Bächen: Es sollen naturnahe Bachläufe geschaffen werden, um die Durchlässigkeit für wandernde Arten zu verbessern, die naturnahen Zustände der Quellbereiche wiederherzustellen und das Wasser länger im Wald zu halten. Dadurch wird auch die Artenvielfalt in und um die Gewässer gefördert.
Die Lebensräume bedrohter Arten verbessern: Tiere wie Wildkatzen, verschiedene Fledermausarten und Spechte finden bessere Bedingungen vor, wenn Wälder naturnäher werden und ungestörte Rückzugsorte entstehen. Wenn die Bewirtschaftung der Wälder eingestellt wird und eine naturnahe Bewirtschaftung in den angrenzenden Wirtschaftswäldern erfolgt, entstehen vielfältige Strukturen, die z. B. Brut- und Jagdgebiete für diverse Arten bieten.
Naturnahe Waldbewirtschaftung in angrenzenden Wirtschaftswäldern: In enger Zusammenarbeit mit dem Forstamt Rüdesheim und Waldbesitzende werden Konzepte entwickelt, die ökologische und wirtschaftliche Interessen miteinander verbinden. Beispiele für solche Konzepte sind eine schonende Holzernte, die Förderung standortgerechter Baumarten, der Verzicht auf Kahlschläge, der Erhalt alter und toter Bäume als Lebensraum (Habitatbäume) sowie eine Waldverjüngung, die ohne flächendeckenden Schutzzaun auskommt. So bleibt auch der forstwirtschaftlich genutzte Wald widerstandsfähig gegenüber Klimaveränderungen und bietet gleichzeitig wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten.

Bei allen Überlegungen wird darauf geachtet, dass die Wälder im Wispertaunus weiterhin für die Bevölkerung in der Region und Waldbesucherinnen und -besucher zugänglich bleiben. Auch die Gestaltung naturverträglicher Freizeitangebote mit dem Schwerpunkt Naturwälder ist Bestandteil der Planungen.

Warum ist das Projekt wichtig?

Der Wispertaunus leistet nicht nur einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität, sondern erfüllt auch wichtige Funktionen für das Klima, die Wasserversorgung und die Lebensqualität in der Region.

Ein erfolgreich umgesetztes Naturschutzgroßprojekt bietet die Chance, dass sich in Zukunft mehr Wald auf natürliche Weise entwickeln kann. Solange die hügelige, von großen Buchen- und Eichenwäldern gesäumte Landschaft des Wispertaunus erhalten bleibt, erfüllt diese wichtigen Funktionen: Natürliche oder naturnahe Wälder gehören zu unseren wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise. Sie speichern Kohlenstoff, puffern Extremtemperaturen und Starkregen. Ein natürlicher und intakter Waldboden wirkt wie ein Schwamm, er speichert überschüssige Wassermengen und wirkt so gleichzeitig gegen Überschwemmungen und Trockenheit. Die Laubwälder des Wispertaunus sind nicht nur reich an Biodiversität, sie erhöhen auch den Grundwasserspiegel, sorgen für ein kühleres Waldklima und beugen so auch Bränden vor.

Das Projekt kann zeigen, wie Naturschutz auf großer Fläche gelingt, ohne ein Hindernis oder Einschränkungen für die Menschen vor Ort zu bedeuten – durch wissenschaftliche Expertise, breite Beteiligung aller Interessengruppen und pragmatische Lösungen.

Eine Chance für die Region

Das Naturschutzgroßprojekt Wispertaunus hat das Ziel, in ausgewählten Waldflächen die Bewirtschaftung durch den Menschen einzustellen und dort die eigendynamische Entwicklung langfristig zu schützen. Derzeit werden insbesondere kommunale Flächen geprüft. Für diesen Beitrag zum Naturschutz für die Allgemeinheit ist im Projekt eine finanzielle Entlohnung der Kommunen vorgesehen.

Darüber hinaus kann eine gut geschützte und intakte Landschaft Chancen für die Region eröffnen – etwa durch Tourismus und eine darauf aufbauende wirtschaftliche Entwicklung. Ähnliche Projekte, wie in der Hohen Schrecke in Thüringen, haben gezeigt, dass solche Ansätze trotz anfänglicher Skepsis langfristig positive Effekte für Natur und Region haben können.

Über die Projektziele informieren wir regelmäßig und laden Sie dazu ein, sich aktiv einzubringen und unser Kontaktformular für Fragen aller Art zu verwenden. Das Projektteam freut sich über Fragen, Anregungen und konstruktive Kritik interessierter Waldbesucherinnen und Waldbesucher.

Melden Sie sich gerne bei uns!

Naturschutzgroßprojekt Wispertaunus – Wertvolle Wälder bewahren und erleben

© Daniel Rosengren

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